Die Aisenbreys im Amt Maulbronn vor dem Jahre 1600
Neue Forschungsergebnisse, zusammengestellt und analysiert von Heinz Aisenbrey, Herbst 2004.
Der Stammbaum unserer Familie basiert in seinem ältesten Teil ( bis zur 8. Generation ) auf Kirchenbüchern, die in den Ortsgemeinden aufbewahrt wurden. Kirchenbücher gibt es aber erst seit 1558, wobei die ersten Einträge noch lückenhaft waren. Durch viele kriegerische Ereignisse im Gebiet von Maulbronn - es lag an einer wichtigen Heerstraße - wurden zwischen 1560 und 1650 die Kirchenbücher oft zerstört. Dagegen haben sich die auf Amts- oder Landesebene entstandenen Urkunden für den gesamten Maulbronner Raum, zu dem seit 1289 auch Gündelbach gehörte, erhalten ( Schwörlisten, Steuerregister, Lagerbücher oder Urbare, Musterungslisten ). Der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrte Lagerbuchbestand des Klosters umfaßt 365 häufig sehr umfangreiche Bände aus dem Zeitraum 1489 bis 1811. Eine Auswertung ist wegen der riesigen Datenmenge aus finanziellen Gründen derzeit nicht geplant. Da das innere Ordnungskriterium die Liegenschaft ( bzw. Rechte und Abgaben ) ist, wird eine personengeschichtliche Auswertung noch schwieriger. Musterungslisten dagegen nennen komprimiert und überschaubar eine Vielzahl von ortschaftsbezogenen Namen. Lebensdaten der Personen und familiäre Zusammmenhänge fehlen jedoch. Da unser Familienname aber eine Besonderheit darstellt, können in einer Analyse der Musterungslisten Ergebnisse erziehlt werden, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend sind.
Alle im folgenden dargestellten Ergebnisse basieren auf dem 1999 von K. Huber und J.H. Staps herausgegebenen Werk "Die Musterungslisten des Württembergischen Amtes Maulbronn 1523 - 1608" (ISBN 3-9803570-6-6). Durch Diskussionen mit Konstantin Huber konnten die Ergebnisse erhärtet werden. Für unseren Familiennamen wird im folgenden einheitlich die heute in Deutschland gebräuchliche Schreibweise verwendet, obwohl in den Musterungslisten sehr unterschiedliche Schreibweisen vorkommen (siehe Tabelle auf S.13) und auch die Auswanderer nach Russland bzw. Amerika die Schreibweise änderten.
In Abbildung 1 ist das Gebiet des Klosteramtes Maulbronn dargestellt, wie es im 16. Jahrhundert bestand.
Abb. 1 Amt Maulbronn im 16. Jahrhundert
1-A Namenskunde
In den kleinen Sozialverbänden des frühen Mittelalters genügte ein einzelner Personenname, um jeden Teilhaber einer Sippe oder Siedlungsgruppe eindeutig zu identifizieren. Im Hoch- und Spätmittelalter, als die Siedlungen größer wurden und mehr Dörfer und Städte entstanden, wurde dem Personennamen ein Beiname hinzugefügt, wie dies in der sozialen Oberschicht schon lange üblich war: Volker der Fiedler, Karl der Große. Als Beinamen wurden meist Herkunfts- und Wohnstättennamen, Berufs- und Übernamen benutzt. Daraus entstanden schließlich die Familiennamen, die sich bei der Landbevölkerung erst zwischen 1300 und 1450 durchsetzten, oft erst bei der notwendigen schriftlichen Fixierung ( Steuerlisten, Urbare, Schwörlisten).
1-A-1 Familiennamen in den Musterungslisten
In den Maulbronner Musterungslisten sind 17.722 Familiennamen belegt. Die Zahl unterschiedlicher Familiennamen ist jedoch weit geringer. Da es keine schriftlichen Namensbelege gab, waren die wenigen ausgebildeten Schreiber darauf angewiesen, das Gehörte zu interpretieren. Nun gabe es aber auf dem Land viele verschiedene Dialekte. Damit hatten die Schreiber, die meist aus den Städten kamen, große Schwierigkeiten, den Dialekt der Bevölkerung schriftlich zu fixieren. Dies erklärt, warum es im Mittel pro Familienname in den Listen 15 unterschiedliche Schreibweisen gibt - einschließlich der sicher vorhandenen Schreibfehler. Weitaus die meisten Familiennamen in den Listen entstanden aus Übernamen (30,8%), gefolgt von Personennamen (18,8%) und Berufsnamen (17,2%).
1-A-2 Herkunft des Namens Aisenbrey
Unser Familienname entstand aus einem Übernamen. Grundsätzlich treffen Übernamen immer nur für den ersten Träger des Namens zu. Alle weiteren Namensträger erhalten den Namen durch Vererbung, wobei sie ganz andere Eigenschaften besitzen können. Unser Name entstand aus einem Satznamen, was relativ selten ist. Er kommt von mittelhochdeutsch oesen = ausschöpfen, vertilgen und dem alten Wort bri(e) = Brei, Hirse. Er bezeichnete also "eine Person, die den Brei ausschöpft oder vertilgt". Dabei kann es sich um einen Spottnamen gehandelt haben: oese den Bri = Breifresser oder aber um eine Tätigkeit: oese den Bri = Breiausschöpfer, Breiverteiler. Da in jener Zeit Hirsebrei das Hauptnahrungsmittel der Bauern war, wäre "Breifresser" nichts besonderes, da dies alle taten. Deshalb wird wohl die zweite Deutung (Breiverteiler) zutreffender sein. Unser Name kommt in den Maulbronner Musterungslisten insgesamt 40 Mal vor, notiert von unterschiedlichen Schreibern im Zeitraum 1523 bis 1608. Da es noch keine Orthographienorm gab, ist die Schreibweise vor allem der Vokale stark vom Schreiber abhängig, der neben der Hochsprache die verschiedenen Mundarten wiedergeben muß. Die Vielfalt lautlicher und schriftlicher Varianten ist aus der Aufzeichnung unseres zu schwäbisch Eisenbrei/Aisenbrey gehörenden Familiennamens zu ersehen (siehe Tabelle):
für oesen: o=4, ö=3, e=2, ei=1, eu=1, y=2, ai=18, ay=7, a=2
für bri(e): ey=22, y=4, ej=11, ei=3
Die Häufigkeit der Schreibweisen am Namensanfang und am Namensende deutete schon damals auf die heute in Deutschland übliche Schreibweise hin.
1-B Die Musterungslisten
Im Militär des 16. und 17. Jahrhunderts spielte die Volksbewaffnung nur eine untergeordnete Rolle. An erster Stelle stand das Aufgebot der Adligen, die als berittene Kämpfer ins Feld zogen. Daneben gab es die Landsknechte (Söldner), die jeder Landesherr werben konnte, wenn er das nötige Geld hatte. Das Herzogtum Württemberg bestand seit 1495, aufgeteilt in weltliche Ämter und Klosterbesitz. Klosterämter wurden erst allmählich unter die Militärhoheit des Herzogs gestellt. Musterungen gab es seit 1430, aber erst 1523 gab es die erste Erhebung für Maulbronn. Zu diesem Zeitpunkt stand das Herzogtum unter österreichischer (Habsburger) Herrschaft. Herzog Ulrich war verjagt und konnte erst 1534 sein Land zurückgewinnen. Das änderte aber nichts an der gültigen Militärverfassung. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen das Titelblatt der Liste O von 1608 und einen Ausschnitt einer Musterungsliste für Gündelbach
Abb. 2 Titelblatt-Ausschnitt
Abb. 3 Ausschnitt aus einer Gündelbacher Musterungsliste
Die Musterungsliste von 1523 nennt 693 Männer zwischen 17 und 60 Jahren, die "guet und tauglich zu der Weer" waren, davon 607 verheiratet und 86 ledig. Maulbronn stellte damit das zweitgrößte Aufgebot aller Klöster ( nur Zwiefalten hatte mit 779 Mann mehr Gemusterte). Aus verschiedenen Analysen und Vergleichen ist ersichtlich, daß die 693 Mann keineswegs der Gesamtzahl der wehrfähigen Männer entsprechen. Musterungen in späteren Jahren waren genauer; insbesondere 1546 dürften mit ca. 1200 Mann alle wehrfähigen Männer erfaßt worden sein. Die Bewaffnung der Landbevölkerung bestand aus 3 Gattungen:
- Hellebarde
- Langspieß
- Büchse
Obige Abbildung 4 zeigt drei Kriegsleute nach einer Federzeichnung von Albrecht Dürer mit Hellebarde und Langspieß.
Zu Beginn des betrachteten Zeitraums war die Hellebarde die wirksamste Waffe eines Bauern, zum Ende hin war es die Büchse, deren Wirksamkeit durch technische Verbesserungen (Schloß usw.) erhöht werden konnte. Die von den Spaniern ab 1550 eingesetzte Muskete mit höherer Zielgenauigkeit und Reichweite, die von 2 Mann bedient wurde, kam nur selten zum Einsatz. Rüstungen waren vereinzelt vorhanden und meist unvollständig. Die Männer mußten ihre Waffen und Rüstungen selbst stellen und an Wehrübungen teilnehmen.
1-B-1 Tabelle der gemusterten Aisenbreys
Aus allen vorliegenden Musterungslisten des Amtes Maulbronn wurden die gemusterten Männer, die den Namen "Aisenbrey" tragen, gesucht und in einer Tabelle (siehe unten) zusammengestellt, die nach dem Musterungsjahr geordnet ist. In der Spalte "Name" wird die dokumentierte Schreibweise der gemusterten Person wiedergegeben. In der Spalte "Ort" ist die Heimatgemeinde des Gemusterten angegeben. In weiteren Spalten stehen Musterungsjahr und Listennummer der Person.
1-B-2 Analyse
- Eine erste Analyse steht in der Spalte "Nr." der Tabelle. Wie wir wissen, sind einerseits die Musterungslisten nicht vollständig; andererseits wurden in jedem Musterungsjahr vorher Gemusterte wieder erfaßt, was dazu führte, daß insgesamt 40 Mal der Name "Aisenbrey" genannt wurde. In der Nr.-Spalte wird nun versucht, die Anzahl unterschiedlicher Personen mit dem Namen "Aisenbrey" zu ermitteln. Eine eher konservative Analyse ergab 17 Männer, die mit unserem Familiennamen im Zeitraum 1523 bis 1608 lebten - es könnten aber auch 19 gewesen sein.
- Wie schon auf S.8 dargestellt, gibt es vor allem bei den Vokalen sehr unterschiedliche Schreibweisen. Interessant ist jedoch die Tatsache, daß die schon damals häufigsten Varianten sich über die Jahrhunderte erhalten und durchgesetzt haben: "ai" zu Beginn und "ey" am Ende unseres Namens.
- Da der betrachtete Zeitraum sich über mehr als 2 Generationen erstreckt, gab es im Amt Maulbronn maximal 8 Aisenbrey-Familien.
- In der ersten Hälfte des Zeitraums gab es Aisenbreys nur in Illingen und Gündelbach, in der zweiten Hälfte nur in Diefenbach und Gündelbach, wobei Gündelbach immer weit überwiegt.
- Daraus und aus der speziellen Namensbildung ( ein Satzname als Übername ) kann geschlossen werden, daß die Aisenbreys ursprünglich aus dieser Gegend stammen.
- Mindestens eine Familie Aisenbrey muß auch schon vor 1500 in der Gegend gelebt haben, wahrscheinlich in Gündelbach.
- Vergleicht man die Anzahl der Nennungen in Gündelbach mit anderen Familien, dann kann man mit aller Vorsicht schließen, daß die Familie Aisenbrey nach den Kochers die zweitgrößte gewesen sein könnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß heute immer noch 10 Aisenbrey-Familien in Gündelbach existieren - im ehemaligen Amt Maulbronn sind es 18 - und die Familie Kocher ausgestorben ist.
- Abschließend kann man folgern, daß die Familie Aisenbrey entweder in Gündelbach ( und Umgebung ) entstand oder weit vor dem Jahre 1500 aus dem süddeutschen Raum zugewandert ist. Eine Zuwanderung erst nach den 30-jährigen Krieg ( aus Österreich oder Frankreich ) kann ausgeschlossen werden.
Abbildungsnachweis
Die Abbildungen 1 und 4 stammen aus dem Kreisarchiv des Enzkreises, die Abbildungen 2 (A 28 a, Band 497, Bl.1) und 3 (A 28 a, Nr.1 Bl.2) sowie das Titelbild (H 107 Mappe 147 S.9) aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Konstantin Huber, Kreisarchivar im Enzkreis bzw. vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
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