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Stand: Freitag, 4. Januar 2008

Inventar- und Teilungserklärung Georg Aisenbrey und Maria Katzmayer

Dieser Vertrag ist das älteste Originaldokument unserer Familie. Er lag viele Jahre im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart unter der Nummer "Gündelbach A585" und ist dort im Band 3 (1701 - 1713) zu finden. Seit kurzem befindet sich dieser Band im Archiv der Stadt Vaihingen.

Mit freundlicher Unterstützung durch Lothar Behr (Stadtarchivar) wurden die 9 Seiten des Vertrags fotografiert und in eine lesbare Schrift übertragen, wobei die Schreibweise des Originals weitgehend beibehalten wurde. Die 5 Blätter des Vertrags wurden beidseitig mit Tinte beschrieben. Im Lauf der Jahrhunderte hat die Tinte stark auf die Rückseite der Blätter durchgeschlagen, was die Lesbarkeit weiter erschwert. Im folgenden werden die neun Seiten jeweils zusammen mit der Transkription dargestellt und kommentiert.

Allgemeine Hinweise: zu jener Zeit gab es in Deutschland noch keine feststehende Orthografie. Dies gilt sowohl für Namen von Orten oder Personen, als auch für Gegenstände und Eigenschaften. Auch die Schriftzeichen einer Handschrift hingen stark vom jeweiligen Schreiber ab. Nur wenige, speziell ausgebildete Personen konnten lesen und schreiben. Sie waren meist in Ämtern oder Klöstern angestellt.

Wenn eine Bildschirm-Auflösung von mindestens 1024 x 768 benutzt wird, stehen Originalseite und Transkription nebeneinander.

Kommentar zu Seite 1:

Unser Familienname kommt in diesem Vertrag in mehreren Schreibweisen vor. Das gleiche gilt für andere Familiennamen: in anderen Dokumenten taucht Maria Katzenmayer als Katzmeier oder Katzmees auf. Das Wort bemelte steht im Sinne von "oben genannte". Das beybringen ist das in die Ehe eingebrachte Vermögen.

Die Ehe zwischen Georg Aisenbrey und Maria Katzmayer wurde 1689 geschlossen. Im gleichen Jahr wurde auch ein Inventar- und Teilungs-Vertrag aufgesetzt und im Stadtarchiv von Vaihingen aufbewahrt. In der Regel existierte nur die Original-Niederschrift eines Vertrags für Privatpersonen. Im Jahr 1693 wurde Vaihingen bei einem Stadtbrand fast vollständig zerstört, darunter auch das Stadtarchiv mit all seinen wertvollen, unersetzbaren Dokumenten. Im Jahr 1701 wurden deshalb die Eheleute Georg und Maria Aisenbrey durch "oberamtliches Anschreiben" aufgefordert, aufs newe ein Inventarium zu erstellen.


Kommentar Seite 2:

... getreu und richtiger Anzaig willen handtreu und Aydes statt ...: der Vertrag beruht auf den Angaben der Eheleute, die vor ihrer Aussage vereidigt wurden.

In Beyseyn: der Vertrag mußte in Anwesenheit autorisierter, ortsansässiger Amtspersonen aufgesetzt werden. Martin Dobelmayer war damals Bürgermeister und Hansjörg Hangsdörfer war als Inventierer eingesetzt.

... der Frauen Kriegsvogtens ...: zu jener Zeit hatten Frauen weder aktives oder passives Wahlrecht, noch konnten sie Rechtsgeschäfte führen. Ihre Rechte wurden deshalb von einem "Kriegsvogt" wahrgenommen. Ein Kriegsvogt (curator ad litem) war ein gerichtlich bestellter Vormund für Ehefrauen in Rechtsgeschäften mit dem Ehegatten. In unserem Fall war dies Erhard Mayer.

... des Manns beybringen und wehrender Ehe ererbter ...: die Ehe war auch damals schon eine Zugewinn-Gemeinschaft. An die Nachkommen vererbt wurde das gesamte in die Ehe eingebrachte und während der Ehe hinzugewonnene Vermögen.

... den vierten Thail an einer Behausung ...: in Gündelbach gab es zu jener Zeit noch keine Hausnummern, so daß die Nachbarhäuser genannt werden mußten, um den Standort zu bestimmen.

... den dritten Thail an einem vierten Thail an besagter (Behausung) ...: aufgrund des württembergischen Erbrechts entstanden solche Zerstückelungen nicht nur an Flurstücken, sondern auch an Häusern. Georg besaß also ein Drittel an diesem Haus in der Steingasse. Wo das Ehepaar wohnte, wird in dem Vertrag nicht erwähnt. Es kann aber angenommen werden, daß es in diesem Haus wohnte, wahrscheinlich zusammen mit anderen Mitgliedern der Familie. Die frühere Steingasse ist die heutige Katharinenstraße. Welches Grundstück heute diesen Platz einnimmt, konnte noch nicht ermittelt werden, da die Nachbarhäuser nicht zuzuordnen sind. Eine genaue Lagebestimmung wäre mit Hilfe der Grundbücher (Urbare) möglich - dies ist jedoch sehr aufwändig.


Kommentar zu Seite 3:

Auf dieser Seite beginnt die Beschreibung der Flurstücke im Besitz von Georg Aisenbrey, wobei zuerst die Äcker genannt werden.

Zellg Schecher: das gesamte Gebiet der bebaubaren Felder war in Zelgen aufgeteilt. Die Äcker innerhalb der Zelgen waren in Gemengelage, d.h. jeder Bauer besaß in jeder Zelge wenigstens einen Acker. Ein Ortschaftsrat bestimmte die jährlich wechselnde Fruchtfolge, denn innerhalb einer Zelge wurde nur eine Feldfrucht angebaut: jeder Acker unterlag dem Flurzwang. Innerhalb einer Zelge gab es keine Wege, d.h. die Bauern mußten zur Feldbestellung kooperieren. Die heutigen Gewann-Namen entstanden meist aus den Zelgennamen, die Gebietsabgrenzungen haben sich jedoch über die Jahrhunderte verschoben. Ein Gewann Schächer gibt es heute beim Sonnenhof, der möglicherweise weitgehend in der ehemaligen Zelge Schecher liegt.

Zellg Muschenloch: die damalige Zelge Muschenloch lag zumindest teilweise an einer Straße zum Steinbachhof. Heute gibt es die Gewanne Muschenloch, Oberes Muschenloch, Mittleres Muschenloch, Unteres Muschenloch. Alle liegen am östlichen Rand des Gündelbacher Flurgebiets, also zum Steinbachhof hin.

Ein halben Morgen auf der alten Reuth ...: heute gibt es die Kleine Reut und die Große Reut am südlichen Ortsrand. Die häufigste Ackergröße war wohl ein halber Morgen. Innerhalb einer Zelge gab es keine Grenzsteine. Zur Lagenbezeichnung dienten deshalb die Besitzer der angrenzenden Äcker.

Ein halben Morgen völlig in Vierteläcker ...: das Gewann Viertel liegt heute am östlichen Ortsrand zum Sonnenhof hin


Kommentar zu Seite 4:

Ein halben morgen vorm Vorst...: das Gewann Forst befindet sich heute am westlichen Ortsrand an der Metter

Wüsen (Wiesen)

Ein halben morgen vorm Bürckach, neben Peter Eisenbrey und Mattes Aisenbreyen Wittib: wo sich das Gewann Bürckach befand, war bisher nicht zu ermitteln. Aufschlußreich ist jedoch die Lagebeschreibung der Wiese: "Peter Eisenbrey" ist wohl Georg's Bruder, und "Mattes Aisenbreyen Wittib" wird wohl seine Tante Barbara gewesen sein, denn sein jüngster Bruder Matthäus war schon 1694 gestorben. Da die drei Wiesen nebeneinander lagen, könnten sie vorher Georg's Vater Matthäus (1. Generation) gehört haben, der 1691 nach seiner Ehefrau Maria starb und so die Wiese an seine drei Söhne vererben konnte.

Weingarth (Wingert)

Ein Viertel in Birgen...: die Randbemerkung "Wüst gelegen" heißt, daß der Wingert 1701 unbebaut war.

Ein halben morgen oben in der Staig...: die Randbemerkung "Baut gewesen" heißt, daß hier 1701 Wein angebaut wurde.


Kommentar zu Seite 5:

Ein St. Krauttgartens in der äußeren Au: wo sich die äußere Au befand, konnte noch nicht ermittelt werden

Summa Ligenschaften: hier ist die Aufzählung der Immobilien zu Ende

Vahrnuß: dies sind die beweglichen Güter

Paar Gellt: sie beginnen mit dem Bargeld-Vermögen von 25 fl, d.h. 25 Florentiner Gulden. Die ersten Gulden wurden 1252 geprägt. In Deutschland kannte man den Gulden bis 1873, als er von der Goldmark abgelöst wurde. Um 1700 entsprach ein Gulden dem Wert von 60 Kreuzern. Wenn man davon ausgeht, daß ein Laib Brot damals ca. 5 bis 6 Kreuzer kostete und ein Handwerker pro Stunde ca. 40 Kreuzer verdiente, dann kann man annehmen, daß ein Gulden in der heutigen Währung mindestens der Kaufkraft von 20 EURO entspricht.

Klaider

seine beygebrachte seyen in wenichem Bestand...: Georg besaß offenbar nur wenige Kleidungsstücke, die pauschal mit 5 Gulden bewertet wurden


Kommentar zu Seite 6:

Bettgewandt und Leinwandt

Ehewerck Ziechlen: ein "Ziechlen" ist ein Bezug, in diesem Fall ein Bettbezug

alte Zwehl: eine "Zwehl" ist ein Tuch, das man zur Körperpflege benutzt. Aus diesem Wort entstand das spanische toalla oder das englische towel

Gemeiner Hausrath

Zaine: ist ein geflochtener Korb, meist Weidenkorb. Das Wort wird heute noch im schwäbischen Dialekt benutzt, ist aber regional auf engem Raum begrenzt

Faß Vierling: ist ein eimerartiges Faß

Einnemmend und bezahlende Schulden: Georg war weder Schuldner noch Gläubiger

Summa Vahrnuß: sein gesamtes bewegliches Vermögen betrug 33 Gulden, also ca. 700 EURO


Kommentar zu Seite 7:

Summarum des Manns Beybringen ...: hier endet die Vermögensaufstellung von Georg

Folget anjetzo der Frauen Beybringen ...: Maria besaß keine "ligende Güether", also keine Immobilien, da ihre Eltern aus Österreich eingewandert waren

Von semtlich Ihrer Klaider...: dafür besaß Maria Kleider "in nicht geringem Bestande"

neu schaffbrachtin Deckbett: "brachtin" heißt prächtig, der erste Teil des Wortes ist unklar


Kommentar zu Seite 8:

neu Teilchen Haipfel: ein "Haipfel" ist ein Oberkissen oder Kopfkissen. Das Wort wird heute noch im schwäbischen Dialekt benutzt

halb kölsch Haipfel Ziechen: ein weiß und blau gestreifter oder gewürfelter Kopfkissen-Bezug

neue reustene Küßenziechlen: Kissenbezüge (vielleicht aus Zellwolle)

neue reustene Leinlacher: leinene Laken (vielleicht aus Zellwolle)


Kommentar zu Seite 9:

Summarum Weibs Beybringen: auch Maria war schuldenfrei; ihr Gesamtvermögen betrug umgerechnet ca. 1500 EURO

...bescheinen die quo supra: ... bescheinigen am oben angegebenen Tag ...

T Eheleuth: "T" ist wahrscheinlich die Abkürzung für testatum = bezeugt. Darunter folgen aber nicht die Unterschriften der Eheleute, da beide mit großer Wahrscheinlichkeit nicht schreiben konnten. Das ganze Schriftstück wurde entweder von einem amtlichen Schreiber verfaßt oder von einer der anwesenden "Amtspersonen"

T Waisenrichter: "Waisenrichter" sind eine typisch schwäbische bzw. später württembergische Einrichtung. Waisenrichter hatten die Aufgabe, eheliche Güter-, Erbschafts- und Vormundschafts-Angelegenheiten privatrechtlich zu regeln, etwa vergleichbar mit den heutigen Notariaten. In kleinen Gemeiden bestanden sie aus dem Ortsvorsteher (Schultheiß) als Vorsitzender und mindestens einem (später aus mehreren) für drei Jahre gewählten Räten aus dem Ortschaftsrat.